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Wie steht es mit der Eigenverantwortung?

8. April 2020 – Das Coronavirus hat uns mit seiner ganzen überraschenden und unvorhergesehenen Wucht erfasst. Das Gesundheitswesen erlebt in jeder Hinsicht Extremsituationen, Wirtschaft und Sozialleben sind fast komplett lahmgelegt. Ein Ende dieses Schreckens ist noch nicht absehbar. Dessen Folgen werden uns Jahre in Atem halten.

Der Bundesrat hat in dieser ausserordentlichen Situation rasch, entschieden und unbürokratisch gehandelt. Es wurden Milliardenkredite gesprochen, die über die Banken ebenso schnell und unkompliziert abgewickelt wurden und werden, sodass die unzähligen KMU in unserem Land über die Runden kommen und bei exorbitanten Umsatzeinbrüchen wenigstens ihre Fixkosten begleichen können. Wo immer möglich wurden Tausende von Menschen ins Homeoffice geschickt, und siehe da – es funktioniert (erstaunlich gut). Schulen wurden geschlossen und eine flexible Lehrer- und Professorenschaft hat innert kürzester Zeit auf Online-Unterricht umgestellt, um vom Dreikäsehoch bis zur Studentin, einfach allen die Weiterführung der Ausbildung zu gewährleisten. Auch die Armee wurde zum Schutz der Bevölkerung aufgeboten. Die Massnahmen werden permanent evaluiert, die Krankenzahlen analysiert und wo immer möglich wird das System justiert und verbessert.

Es herrscht ein Ausnahmezustand. Allen soll möglichst gerecht und optimal geholfen werden. Doch Vorsicht: Wenn jetzt von allen Seiten plötzlich noch mehr Rufe laut werden, was der Staat wann, wo und wie zusätzlich leisten, tun oder finanzieren soll, sollten wir vielleicht auch unser eigenes Verhalten reflektieren. Es gibt heute je länger desto weniger Menschen, die den zweiten Weltkrieg noch erlebt haben. Richtige globale Krisen haben wir in den letzten Jahrzehnten glücklicherweise kaum gekannt. An den Wohlstand haben wir uns gern und leicht gewöhnt und das Leben – warum auch nicht – genossen. Bei den Banken wurden infolge der Finanzkrise 2007 die Eigenkapitalvorschriften massiv verschärft. Die KMU soll nicht dasselbe Schicksal ereilen. Persönlich wehre ich mich gegen immer wieder neue Regulierungen. Was es aber vielleicht auch im Hinblick auf gewisse KMU benötigt, ist teils noch mehr Eigenverantwortung.

Der Bund gewährt Überbrückungskredite. Das ist richtig so. Falsch wäre aber, wenn man diese im Glauben beantragen würde, es handle sich um à-fonds-perdu-Beiträge. Diese Kredite sind zurückzuzahlen. Es sind dies Mittel aus der Bundeskasse, die von jedem einzelnen Steuerzahler, jeder Steuerzahlerin berappt wurden, die sonst bei der AHV, bei der IV, bei der Finanzierung künftiger Investitionen, überall fehlen werden.

Auch Eltern sind gefordert. Sie befinden sich im Homeoffice und betreuen gleichzeitig ihre Kinder. Anspruchsvoll, aber möglich; mit der Gelegenheit, das Familienleben neu zu erfahren. Da erstaunt es schon, wenn Kinderschutzorganisationen jetzt fordern, dass der Schulunterricht möglichst rasch wieder aufgenommen werden soll. Nicht nur wegen der Chancengerechtigkeit, welche ich als Grund dafür verstehen würde. Nein, es wird befürchtet, dass Kinder vermehrt unter häuslicher Gewalt leiden. Wo sind wir mit unserer Gesellschaft hingekommen, dass die Gefahr bestehen soll, dass Kinder am meisten gefährdet sind, wenn sie unter der Obhut der Eltern stehen?

Und wie sieht es mit all’ den Arztpraxen aus, deren Umsätze bis zu 80 % eingefallen sind? Bestimmt gibt es Patienten, die auch aus Furcht vor einer Ansteckung ihren Termin nicht wahrnehmen. Bei einem derartig massiven Patientenrückgang kriegt man aber schon auch den Eindruck, dass doch einige Arztbesuche unnötig sind, dass wir – wenn sich jeder und jede den Gang zum Doktor auch wirklich überlegen würde – massiv Kosten im Gesundheitswesen sparen könnten. Bräuchte es nicht überhaupt in zahlreichen Bereichen wieder mehr Eigenverantwortung?

Momentan braucht es keine weiteren Forderungen an den Staat. Selbstverständlich muss die Wirtschaft zwingend so schnell wie möglich wieder hochgefahren werden, die Kinder sollen die Schulbank drücken, die Soldaten nach Hause und an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können, das Sozialleben wieder stattfinden. Dafür müssen wir aber die Corona-Fallzahlen zuerst in den Griff kriegen. Soweit sind wir leider noch nicht. Es braucht deshalb ein striktes Einhalten der vom Bundesrat beschlossenen Massnahmen, Geduld, Frustrationspotenzial und die Einsicht, dass es uns gerade auch im Vergleich zu anderen Ländern verhältnismässig nicht so schlecht geht. Wir sind ein Volk von Individualistinnen und Individualisten, welche die grösstmögliche Freiheit fordern. Konsequenterweise müssen wir die gleiche Unabhängigkeit an den Tag legen, in Zeiten, während denen nicht alles rund läuft. Verhalten wir uns auch künftig solidarisch, schränken wir unsere Anspruchshaltung gegenüber dem Staat auch mal wieder ein und überlegen wir uns nicht nur, was unser Land für uns tun kann, sondern auch, was wir zum Gemeinwohl beitragen können. Eine gute Karwoche und Ihnen allen dann frohe Ostern!

Dieser Artikel ist am 7. April 2020 als «Brief aus dem Ständerat» im Willisauer Boten erschienen.