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Schweizer Neutralität: Spannungsfeld zwischen Tradition und internationalem Druck am Beispiel von Waffenlieferungen

26. Mai 2023 – Die Schweiz ist ein neutraler Staat und soll ein neutraler Staat bleiben. Wir haben das Neutralitätsrecht zu beachten. Neutralitätsrecht ist Völkerrecht. Gemäss Haager Konvention darf sich die Schweiz als neutraler Staat erstens nicht an Kriegen beteiligen, zweitens gilt das Gleichbehandlungsgebot der beiden kriegführenden Parteien – auch was Waffenlieferungen anbelangt – drittens darf sie keinem Militärbündnis beitreten (Nato) und viertens sind wir verpflichtet, auf unserem Territorium keine fremden Truppen zuzulassen.

All’ dies beachten wir, halten wir zurecht minutiös ein. Im Haager Abkommen steht aber nirgends, dass die Schweiz über eine so restriktive Nichtwiederausfuhr-Erklärung verfügen muss, wie sie in Artikel 18 des Kriegsmaterialgesetzes existiert. In diesem Bereich hat sich in den letzten Wochen und Monaten ein für unser Land schwieriges Spannungsfeld eröffnet. Im Folgenden möchte ich erläutern, weshalb wir – als neutrales Land – die Wiederausfuhr von Schweizer Waffen bewilligen sollten.

Die Neutralität ist auch in unserer Bundesverfassung verankert, in zwei Artikeln, die gleich lauten. Bei Artikel 173, unter dem Titel Aufgaben und Befugnisse der Bundesverfassung, Absatz 1. Dieser lautet: «Sie (die Bundesversammlung) trifft Massnahmen zur Wahrung der äusseren Sicherheit, der Unabhängigkeit und der Neutralität der Schweiz». Bei Artikel 185, Absatz 1, unter dem Titel Innere und äussere Sicherheit heisst es identisch mit Artikel 173, Abs. 1 lit. a: «Sie (die Bundesversammlung) trifft Massnahmen zur Wahrung der äusseren Sicherheit, der Unabhängigkeit und der Neutralität der Schweiz». Die Bundesverfassung definiert die Neutralität inhaltlich nicht. Weder in der Haager Konvention noch in der Bundesverfassung ist festgehalten, dass die Schweiz über eine so restriktive Nichtwiederausfuhr-Erklärung verfügen muss, wie sie in Artikel 18 des Kriegsmaterialgesetzes existiert.

Diese Fessel und das damit verbundene für die Schweiz schädliche Spannungsfeld haben wir uns selbst auferlegt. Diese Fessel erweist sich als kontraproduktiv und von dieser Fessel müssen wir uns dringend lösen – erlösen. Warum? Weil wir die Verteidigungsfähigkeit der Schweiz stärken, verbessern, erhöhen wollen. Falls die Ukraine verliert, ist die Sicherheit in Europa gefährdet. Es geht um unsere eigene Freiheit, die geschützt wird. Wenn wir bei der Wiederausfuhr der Waffen keine Änderung zulassen, hindern wir andere europäische Länder daran, ihre Sicherheit zu verteidigen. Wir schwächen damit unsere eigene Verteidigungsfähigkeit ebenso.

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ist eine Verletzung des Völkerrechtes der übelsten Sorte. Nichts und niemand verpflichtet uns, die Wiederausfuhrbewilligung von Waffen und Munition so restriktiv handzuhaben. Weder unsere Neutralität noch unsere Bundesverfassung hindern uns daran. Es ist einzig und allein die Fessel im Kriegsmaterialgesetz, die uns daran hindert. Befreien wir uns davon und erlauben wir die Wiederausfuhr für Länder mit gleichen Werten und vergleichbarem Exportkontrollregime. Bleiben wir weiterhin ein neutrales Land, aber bauen wir unnötigen internationalen Druck ab. Stehen wir gemeinsam für Völkerrecht, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ein!