Kompromisse auf allen Seiten
20. Dezember 2022 – Die Wintersession im Ständerat entpuppte sich als intensiv, emotional und zukunftsweisend: Die BVG-Beratung ging im Ständerat in die nächste Runde, bei der Prämienentlastungsinitiative haben wir Nicht-Eintreten auf das Geschäft beschlossen und zwei neue Mitglieder unserer Landesregierung wurden gewählt. Dies vorab nur drei Geschäfte, die wir während der letzten drei Wochen beraten haben.
Nicht erst nach der knapp gewonnenen Abstimmung zur Stabilisierung der AHV (AHV 21), nein, bereits vorher war für mich klar, dass es anlässlich der Revision der beruflichen Vorsorge in erster Linie eine Verbesserung für Menschen mit Mehrfachbeschäftigungen und tiefen Einkommen braucht. Das sind vor allem Frauen. Zudem soll die Generationengerechtigkeit spielen und die Reform nicht mit der Giesskanne funktionieren. Massnahmen sollen zielgerichtet getroffen werden. So haben wir die BVG-Eintrittsschwelle gesenkt, den Koordinationsabzug angepasst und Kompensationen beschlossen.
Das Geschäft geht nun zurück in den Nationalrat, wo unsere Entscheide nochmals geprüft und fein justiert, korrigiert und/oder verbessert werden. Die Gegnerschaft von links und rechts opponiert und lobbyiert bereits lauthals dagegen. Die einen beklagen, dass tiefe Einkommen zu wenig entlastet, die andern, dass Unternehmen zu stark belastet würden. Auch das Referendum wurde längst angekündigt. Ich mahne zur Gelassenheit. Warten wir das Ende der Beratungen in beiden Räten ab und entscheiden wir dann aufgrund von Fakten und Zahlen, ob die BVG-Revision fair und zumutbar ist oder eben nicht. Kompromisse sind aber stets auf allen Seiten gefragt.
Unterstützt habe ich den Nicht-Eintretens-Entscheid unseres Rates bei der Prämienentlastungsinitiative. Bei diesem Anliegen geht es darum, dass kein Haushalt mehr als zehn Prozent des verfügbaren Einkommens für die Krankenkassenprämie ausgeben muss. Es haben zwar zunehmend mehr Menschen Mühe, die Prämienrechnung zu begleichen. Da es sich um eine reine Umverteilungsinitiative handelt, löst sie aber kein einziges Problem. Vielmehr müssen wir darauf achten, dass der Mittelstand dadurch nicht noch stärker zur Kasse gebeten wird und für die erforderlichen Mittel aufkommen muss. Den Mittelstand definiere ich als diejenigen Menschen, die alles selber berappen, tagtäglich zur Arbeit gehen und weder Prämienverbilligungen, noch KiTa-Reduktionen oder Stipendien beanspruchen können. Diesbezüglich zielführender ist die Kostenbremsen-Initiative, die fordert, dass Bundesrat, Bundesversammlung und Kantone aktiv werden müssen, wenn die Gesundheitskosten im Vergleich zur Lohnentwicklung zu stark steigen. So könnten wir dem Prämienwachstum ein für alle Mal den Riegel schieben. Was bei der BVG-Revision gilt, gilt auch hier: Wollen wir eine Lösung, braucht es Kompromisse auf allen Seiten. So bin ich bereit, in der nächsten Runde auf die Prämienentlastungsinitiative einzutreten. Ich werde sie ablehnen, einem abgespeckten indirekten Gegenvorschlag aber zuzustimmen. So dass wir die Menschen, die wirklich in Not sind, zusätzlich entlasten können, ohne den Mittelstand über Gebühr zu belasten.
Grosse öffentliche Aufmerksamkeit erweckt haben die Bundesratswahlen. Bereits Wochen vor der Wahl hat die freitägliche Spätabendsendung Arena Traumeinschaltquoten erreicht mit der Frage: «Wie viel Frau braucht es im Bundesrat?». Klar lieber drei als zwei, überhaupt möglichst viele. Noch besser aber, wenn die Geschlechter-Frage irgendwann einfach hinfällig wird, wenn nur noch Eignung für das Amt und Kompetenz Ausschlag geben. Überhaupt hätte man die Diskussion gar nicht führen müssen. Die Kandidatinnen überzeugten mit langjähriger Führungs- und Exekutiverfahrung, Fach- und Sozialkompetenz. Bei den Kandidaten wird diese Frage ja auch viel weniger gestellt. Da geht man immer davon aus, dass dem so ist. Wir sind aber dann mit Gleichberechtigung und -stellung am Ziel, wenn männliche Kandidaturen genauso kritisch hinterfragt werden wie weibliche. Da steht uns noch ein Weg bevor. Die Schwarznasenschafe lassen grüssen…
Gefreut hat mich, dass nach dem Ständerat auch der Nationalrat meiner Motion «Schluss mit dem Meldeschein-Chaos in der Beherbergung» zugestimmt hat. Der Bundesrat hat nun den Auftrag – mit Rücksicht auf die Kantone notabene – die Meldepflicht bei gewerbsmässiger Beherbergung von Gästen national-digital umzusetzen. Sind Sie Gast in einem Hotel, sollen sie nicht immer wieder bei Ihrer Ankunft die Daten angeben müssen, die Sie bereits bei der Buchung, bei Ihrem letzten Aufenthalt, generell schon x-mal bekannt gegeben haben. Endlich wird dadurch eine administrative Entlastung von Hotels und Gästen möglich. Auch meine Forderung nach einer zeitlich befristeten Flexibilisierung des Arbeitsgesetzes bei einer Energiemangellage fand eine Mehrheit. Der Ständerat hat zugestimmt. Ich hoffe, dass auch der Nationalrat dazu Ja sagen wird. Dabei geht es aber nicht um eine Aushebelung des Sonntagarbeitsverbotes. Der Sonntag ist auch mir heilig. Im Gegenteil. Wichtig ist aber, dass energieintensive Unternehmen ihre Arbeitszeiten in einer ausserordentlichen Lage so anpassen können, dass dann gearbeitet werden kann, wenn Energie überhaupt noch verfügbar ist. Das kann dann schon mal nachts oder an Wochenenden sein.
Noch während der Session erreichte mich die Nachricht über das Resultat des Architekturwettbewerbs zum Luzerner Theater. Mir gefällt das Projekt. Indem es sich durch die ruhige Fassade zurücknimmt, lässt es der wunderschönen Jesuitenkirche genügend Raum. Die Öffnung zur Reuss hin zeigt neue Perspektiven. Besuchen Sie die Ausstellung in der Stadt in der Kornschütte, es lohnt sich! Auch hier wird es ohne Kompromiss zu keiner Lösung kommen.
Nun stehen Weihnachten vor der Tür. Geniessen Sie die Feiertage im Kreis Ihrer Liebsten, erholen Sie sich vom hektischen Alltag. Vergessen wir aber auch nicht, dass zahlreiche Menschen die Festtage fern von zu Hause verbringen oder in einem Land, in welchem ihr Daheim zerstört oder zumindest beschädigt wurde, wo Licht und Wärme fast komplett abhandengekommen sind. Nehmen wir auch im 2023 unsere Verantwortung wahr und bleiben wir solidarisch. Ich danke Ihnen ganz herzlich dafür!
Dieser Text ist am 20. Dezember 2022 als «Brief aus dem Ständerat» im Willisauer Boten erschienen.