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Festwochenende, Sessionsbeginn und Frauenstreik

4. Juni 2019 – Der vergangene Sonntag stand im ganzen Kanton unter dem Motto des Feierns. Altishofen stand im Zeichen des kantonalen Musiktages, in Willisau schlugen die Herzen der Schwinger höher und in Luzern gaben die Ruderinnen und Ruderer an den Europameisterschaften ihr Bestes. Als Nationalrätin fällt mir meistens das Privileg zu, an diese schönen Anlässe eingeladen zu werden.

Wenn dann drei Veranstaltungen parallel laufen, wird’s schwierig. Ich pflege diejenige Einladung anzunehmen, die ich zuerst erhalten habe. So durfte ich am Sonntag in Altishofen einen perfekt organisierten, in jeder Hinsicht wunderbar harmonischen Musiktag bei strahlender Sonne und ebensolchen Musikantinnen und Musikanten erleben. Beeindruckend war auch die stattliche Anzahl freiwilliger Helferinnen und Helfern, die den Anlass zum Erfolg machten. Bestimmt war das in Willisau und Luzern ähnlich.

Gestern Montag nun hat die Sommersession begonnen. Gestartet sind wir mit dem Enteignungsgesetz. Für den Bau von Eisenbahnen oder Nationalstrassen, die bundesrechtlich anerkannte Interessen beinhalten, kann privates Eigentum enteignet werden; dies gegen vollständige Entschädigung. Weil das Gesetz aus dem Jahr 1930 stammt, muss es nun den veränderten rechtlichen Verhältnissen angepasst werden. Ein Knackpunkt dabei ist, wie landwirtschaftliches Kulturland fair entschädigt werden kann. 

Der heute amtlich festgelegte, administrierte Preis für Landwirtschaftsland liegt dermassen tief, dass so die landwirtschaftliche Bewirtschaftung und Produktion überhaupt noch möglich sind. Das führt dann dazu, dass bei einer Enteignung der Quadratmeterpreis im Talgebiet bei 7 bis 9, im Berggebiet bei 2 bis 3 Franken liegen kann. Diese Preise sind meines Erachtens und gemäss Mehrheit des Nationalrates zu tief angesetzt angesichts des enormen Nutzens, den die Öffentlichkeit daraus ziehen kann. So können z. B. im Rahmen eines Hochwasserschutzprojektes Dutzende von Millionen für die Allgemeinheit eingespart werden. Wäre das Land auf dem freien Markt, lägen die Preise dafür bedeutend höher. Es besteht zudem keine Gefahr, dass mit einer Anhebung der Kulturlandpreise dieses weniger Schutz erfahren oder ein Anreiz bestehen würde, dieses zu enteignen. Kein Bauer will Land hergeben, geschweige denn verscherbeln, welches die Grundlage seiner Existenz bedeutet. Der Nationalrat schlägt für die Preisberechnung des Kulturlandes im Geltungsbereich des bäuerlichen Bodenrechtes als Entschädigung neu das Sechsfache des ermittelten Höchstpreises gemäss BGBB-Artikel vor. Ob dieser Faktor der richtige ist, wird der Ständerat noch im Detail prüfen. Wir dürfen gespannt sein.

Ein Thema, welches seit längerem Beachtung findet, ist der für den 14. Juni angekündigte Frauenstreik. Das Thema Gleichstellung erhitzt auch heute noch die Gemüter; zuweilen auch mein eigenes. Ich erinnere mich: 1948 hatten bereits alle europäischen Länder ausser der Schweiz und Liechtenstein das Frauenstimmrecht eingeführt. Weitere 23 Jahre mussten vergehen, bis Frauen in der Schweiz auf nationaler Ebene endlich wählen und abstimmen durften. Das Schlusslicht bildete der Kanton Appenzell Innerrhoden: erst 1990 führte er das Frauenstimmrecht ein. Was heute fast unvorstellbar und absurd erscheint, war vor nicht allzu langer Zeit Realität in einem Land, das seine einzigartige Demokratie preist. Die Hälfte der Bevölkerung, nämlich die weibliche, wurde weit über ein Jahrhundert aus der Politik ausgeschlossen.

Gleichstellung kommt nicht von alleine. Jeder sozialen Veränderung geht ein langwieriger Prozess voraus. Die rechtliche Gleichstellung ist zu einem grossen Teil Frauen zu verdanken, die aus dem bürgerlichen Lager stammen. So präsidierte CVP-Nationalrätin Elisabeth Blunschy-Steiner 1975 den schweizerischen Frauenkongress, der die sogenannte Gleichstellungsinitiative lancierte und so den Weg ebnete für die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Es waren die beiden CVP-Frauen Judith Stamm und Josi Meier, die als eine der ersten Frauen in den damaligen Grossen Rat des Kantons Luzern und später in den Nationalrat einzogen – notabene aus dem damals besonders konservativen Kanton Luzern. 1991 wurde Josi Meier schliesslich zur ersten Ständeratspräsidentin überhaupt gewählt. Die Liste der Verdienste der CVP-Pionierfrauen ist lang. Die Motion von Judith Stamm, welche die Gründung des eidgenössischen Büros für Gleichstellung von Mann und Frau im Jahre 1988 forderte, war eine davon. Im selben Jahr wurde zudem das Eherecht revidiert. Damit wurde die Frau dem Ehemann rechtlich gleichgestellt. 

Wer sich nun wundert, warum Frauen am 14. Juni 2019 überhaupt zum Streik aufrufen, verkennt, dass es mit der Einführung des Frauenstimmrechts nicht getan ist. Das Frauenstimmrecht war zwar, wenn auch relativ spät, der grösste Meilenstein auf dem Weg zur Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann. Dieser Weg ist jedoch nicht zu Ende. Es ist heute selbstverständlich, dass Frauen wählen und abstimmen. Genauso selbstverständlich sollte es endlich sein, dass Frauen für gleichwertige Arbeit gleich viel verdienen wie Männer oder dass Frauen und Männer zu einigermassen gleichen Teilen in Amt und Würde vertreten sind. Eine positive Änderung hat dennoch stattgefunden. Auch findet der Ruf nach Gleichstellung bei den Männern inzwischen Gehör. Schlussendlich benötigt es aber auch noch mehr Frauen, die überhaupt bereit sind, sich für all‘ diese Ämter und Aufgaben zur Verfügung zu stellen und sich Wind und Wetter auszusetzen. Bleiben wir dran! 

Dieser Artikel ist am 04. Juni 2019 als «Brief aus dem Nationalrat» im Willisauer Boten erschienen.