Die demokratischen Rechte wahrnehmen
23. April 2022 – Wir alle durften wunderbare Ostertage erleben. Nicht nur wettermässig wurden wir in den letzten Tagen verwöhnt. Es geht uns so gut, dass wir hin und wieder vergessen, wie privilegiert wir doch sind. Seit der russischen Invasion in der Ukraine Ende Februar ist uns allerdings einiges mit Schrecken bewusst geworden.
Es ist eben nicht selbstverständlich, ein – im wahrsten Sinne des Wortes – intaktes Dach über dem Kopf zu haben, täglich einer Arbeit nachgehen und politisch mitbestimmen zu dürfen; ohne permanente Gefahr an Leib und Leben.
Wir leben in einer Demokratie, werden ohne Zensur informiert, dürfen unsere Meinung ohne Angst kundtun, viermal pro Jahr gar an der Urne. So werden wir Mitte Mai über Frontex und das Filmgesetz abstimmen. Beide Vorlagen habe ich als Mitglied der zuständigen Kommission eng begleitet, und ich stehe ein für ein klares JA an der Urne.
Bei Frontex (Frontières extérieures) geht es um die Sicherung der EU-Aussengrenzen. Die EU rüstet seit 2016 ihren Grenz- und Küstenschutz mit mehr Personal und technischer Ausrüstung auf, damit die «Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex)» ihre Aufgaben im Grenz- und Rückkehrbereich besser wahrnehmen kann. Da es sich um eine Schengen-Weiterentwicklung handelt, ist auch die Schweiz an diesem Ausbau beteiligt. Der finanzielle Beitrag der Schweiz steigt gemäss bisherigem Verteilschlüssel proportional für alle beteiligten Staaten. Dieser wird bis 2027 von ursprünglich 14 Millionen Franken auf rund 61 Millionen Franken pro Jahr erhöht. Zudem soll die Schweiz Frontex mehr Personal zur Verfügung stellen.
Frontex gewährleistet unsere Sicherheit. Bei einem Nein stünde zudem Schengen auf dem Spiel. Im schlimmsten Fall würden wir den Zugriff auf unzählige Datenbanken und Informationssysteme verlieren, die essenziell sind für die Verbrechens- und Kriminalitätsbekämpfung. Es ist deshalb richtig, dass sich die Schweiz finanziell und mit Personal an diesem System beteiligt. Ein Ja zu Frontex sichert überdies unsere Reisefreiheit, da uns Schengen eben auch das freie Reisen in ganz Europa ermöglicht. Für unser Land, vor allem aber auch Stadt und Kanton Luzern als Tourismusdestination ist Schengen enorm wichtig.
Von Kritikern wird moniert, dass die Flüchtlinge teils menschenrechtswidrig behandelt würden („Pushbacks“). Diese Meldungen haben wir sehr ernst genommen. Eine Delegation unserer sicherheitspolitischen Kommission hat sich deshalb in einem Flüchtlingslager in Griechenland ein Bild gemacht und informieren lassen. Diese Vorwürfe konnten nicht bestätigt werden.
Mit der Revision von Frontex wird es künftig auch Grundrechtsbeauftragte geben mit der Aufgabe sicherzustellen, dass wirklich sämtliche Rechte der Flüchtlinge eingehalten werden. Damit hat die Schweiz die Möglichkeit dafür zu sorgen, dass es zu keinen Pushbacks kommt. Flüchtlinge sollen ausnahmslos korrekt, fair und menschenwürdig behandelt werden!
Die Vorlage zum Filmgesetz sieht vor, dass Netflix 4 Prozent des in der Schweiz erzielten Umsatzes künftig in die Schweizer Filmindustrie investieren muss. Dabei geht es weder um eine Steuer oder eine Zwangsabgabe für den Steuerzahler, noch wird dem Konsumenten vorgeschrieben, welche Filme er künftig sehen darf. Richtig ist, dass ein Ja zum Filmgesetz den Steuerzahler nichts kostet, dass sich für den Konsumenten nichts ändert und die freie Auswahl von über 5000 Filmen bestehen bleibt. Aber Netflix wird neu in die Schweizer KMU-Filmwirtschaft investieren müssen. Das ist nur richtig.
Die einheimische Filmbranche schafft im Gegensatz zu Netflix und anderen Streaming-Plattformen nämlich Arbeitsplätze vor Ort, zahlt Steuern, generiert Wertschöpfung. Als z.B. Die Kinder vom Napf im Entlebuch gedreht wurde, waren während Wochen eine Filmcrew, Schauspielerinnen und Schauspieler vor Ort und haben die lokale Gastronomie, Hotellerie und KMU berücksichtigt. Netflix aber hat den Sitz im Ausland, verlangt heute bereits mehr für ein Abo bei uns als in allen anderen Ländern und zieht Millionen ins Ausland ab. Wir werden wie eine Zitrone ausgepresst. Wenn wir Netflix verpflichten, künftig in den Schweizer Film zu investieren, profitieren wir alle. Schweizer Filme werden dann schlagartig in über 150 Ländern gezeigt. Davon profitiert der Tourismus ebenso. Deshalb braucht es auch hier ein überzeugtes Ja.
Abstimmen zu dürften bedeutet ein Privileg, das oft nur ein kleiner Teil der Bevölkerung überhaupt in Anspruch nimmt. Die Stimmbeteiligung sinkt wieder. Dies bedaure ich ausserordentlich. Vor allem aber verstehe ich es nur schlecht, weshalb man seine Meinung oft am Stammtisch, lauthals im Bus oder am Arbeitsplatz kundtut, der Urne aber fernbleibt. Menschen in Kriegsländern können nur davon träumen, wählen und abstimmen zu können, mitbestimmen zu können. Seien wir uns auch dessen bewusst und nehmen wir doch zumindest unsere demokratischen Rechte wahr. Ich danke Ihnen dafür!
Dieser Artikel ist am 20. April 2022 als «Brief aus dem Ständerat» im Willisauer Boten erschienen.